T r a i n i n g s s t i l e
(von Susanne A. Lichtschlag)
Jeder Trainer hat seine eigene Methode, seine Schüler zu unterrichten. Nicht selten ist es die seines Lehrers oder Meisters. Welche Form er auch immer wählen mag, über eines muss sich jeder im Klaren sein: Voraussetzung für ein gutes Training ist Disziplin! Ohne sie geht es nicht! Disziplin fördert einen reibungslosen Unterrichtsverlauf, ist Basis für eine gute Ausbildung, prägt den Charakter und überträgt sich auf die ganze Gruppe. Disziplin hilft auch, unnötigen Unfällen, die oft auf mangelnde Konzentration zurückzuführen sind, vorzubeugen.
Disziplin hat natürlich auch mit Autorität zu tun. Auf der Skala der Führungsstile findet man u.a. den mit „Laisser-faire“ umschriebenen, den demokratischen, sowie den autoritären Führungsstil und nicht zuletzt den „Kadavergehorsam“. Letzteren halte ich für ebenso unangebracht wie den ersten.
„Laisser-faire“ bedeutet nichts Anderes als „machen lassen“. Es herrscht eine lockere Atmosphäre und das Training läuft recht zwanglos ab. Man stelle sich bitte einmal vor, jeder machte auf der Matte, was er wollte. Es käme kein straffer, kein geordneter Unterricht zu Stande.
Trainer, die den „Kadavergehorsam“ als den für sie einzig brauchbaren Führungsstil erachten, erhalten als Lohn ihrer Tätigkeit sicherlich disziplinierte, treue, fleißige und jederzeit gehorsame Schüler bzw. Kämpfer, aber eben ihnen hörige. Hörige Jiu-Jitsuka passen bestenfalls in eine Kriegstruppe, aber wir trainieren nicht den Krieg.
Wir üben eine alte, asiatische Kampfsportart aus, einerseits zur körperlichen Ertüchtigung, andererseits natürlich, um im Falle eines Angriffs uns selbst oder einen anderen zu verteidigen – ganz im Sinne des Notwehrparagraphen.
Wer den demokratischen Führungsstil bevorzugt, muss sich vor Augen führen, dass neben dem körperlichen Training auch viel ge- und besprochen wird. Lässt der Trainer permanent Diskussionen zu, wird er über kurz oder lang erleben müssen, dass man ein Training auch kaputt reden kann. Unbemerkt hat man ihm längst das Heft aus der Hand genommen.
Sicherlich hat jede Unterrichtsmethode ihre Vor- und Nachteile. Unter Berücksichtigung aller Umstände kann jedoch meines Erachtens nur der autoritäre Führungsstil zur Durchführung eines Budotrainings, durch das die hierfür unabdingbare Disziplin vermittelt wird, geeignet sein.
Die mit der „Amtsautorität“ (Dangrad, Funktion) zwangsläufig einhergehende „Machtposition“ darf jedoch keinesfalls missbraucht werden. Im Vordergrund stehen weder Prestige, Wichtigkeit, Einfluss und Geltung, noch die Person des Trainers. Wer sich der Herausforderung, Ausbilder zu sein, stellt, muss also vorrangig fachliche Kompetenz miteinbringen. Nur aus dieser Sicherheit heraus kann dann die ebenfalls erforderliche persönliche Autorität als Trainer und eventuell später als Meister erwachsen.
Es sollte sodann u.a. sein Bestreben sein:
• korrekt, verantwortungsbewusst, fair, ehrlich und Vorbild zu sein,
• seine positive Grundeinstellung zur sportlichen Betätigung vorzuleben,
• zum Sport zu motivieren,
• ruhig und gelassen zu agieren,
• dass Kameradschaft, Hilfsbereitschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl in der
Gruppe mitwachsen,
• seine Schüler zu einem dynamischen, unerschrockenen, beherzten Kampf- und
Trainingsstil zu bringen,
• den Schülern durch das Erlernte ein Gefühl der Sicherheit zu geben,
• durch das Training Aufmerksamkeit, Wachsamkeit, Durchhaltevermögen und
Willenskraft zu steigern,
• zur Charakter- und Persönlichkeitsbildung beizutragen,
• auf die Individualität des Einzelnen einzugehen,
• seine Schüler so zu trainieren, dass sie in der Lage sind, sich selbst zu trainieren,
• sich körperlich, geistig und seelisch vermitteln zu können,
• Budophilosophie einzuflechten,
• Meisterschaft zu erlangen, etc..
Wer die vorgenannten Ziele noch nicht verwirklichen konnte, sollte nicht aufgeben! Es gibt keine „fertigen“ Trainer und Meister. Jeder hat das Recht, an seiner Reifung zur Meisterschaft zu arbeiten. Und er wird mit und an seiner Aufgabe wachsen, wenn er es wirklich will.